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Trauma als unabgeschlossenes energetisches Ereignis

 

Inhaltsverzeichnis

 

In den letzten Wochen häufen sich Tor-Arbeiten im freiRaum. Es öffnen sich Portale, die das Potential haben, traumatische Abspaltungen wieder zu schließen. Stellt es das Konzept von Trauma auf den Kopf oder können verschiedene Konzepte, je nach ihrer konkreten Nützlichkeit, nebeneinander bestehen?

Die klassische Sichtweise auf Trauma

Klassischerweise betrachtet man ein Trauma als ein Ereignis, bei dem etwas passiert, was den Menschen dermaßen aus der Bahn wirft, verletzt oder überfordert, dass er danach nicht mehr derselbe ist. Er ist danach traumatisiert. In der Psychiatrie spricht man von der PTBS, der posttraumatischen Belastungsstörung. Im körperlichen Sinne spricht man ebenfalls von einem Trauma, z. B. bei einem Unfall, das häufig mit einem Schock einhergeht. Diese Sichtweisen sind in bestimmten Kontexten richtig und zielführend, helfen aber nur bedingt weiter, wenn man sich in die Tiefen und Abgründe der menschlichen Psyche begibt. In erster Linie behandeln sie nur Schock-Ereignisse. Traumatisierungen finden aber häufig über einen längeren Zeitraum statt, z. B. in Form von emotionalem Missbrauch oder Vernachlässigung. Die Körperpsychotherapie (Stichwort Somatic Experiencing von Peter Levine) hat darauf eine Antwort und betrachtet das Trauma als eine Anspeicherung von nicht-verbrauchter Notfallenergie. In der Körpertraumatherapie geht es also darum, diese Anspeicherungen abzubauen und so mit den Traumata abzuschließen, so dass der Mensch sich mehr wie er selbst und ein Teil dieser Welt und nicht wie ein Alien fühlt – ein Ansatz, der auch ein Teil meiner Arbeit ist. Im Rahmen der tieferen Arbeit stellt sich aber heraus, dass das, was man für das eigentliche Trauma hielt, z. B. ein Gewalttrauma oder der emotionale Missbrauch im Rahmen eines Bindungstraumas, erst die Folge von viel früheren Ereignissen ist, an die man sich nicht bewusst erinnern kann. Die Ur-Traumata sind also vorsprachlich. Die Weichen wurden früh gesetzt. Was ist die Konsequenz? Alles Schicht für Schicht abarbeiten? Oder möglichst zur Ur-Sache vordringen in der Hoffnung, dass die Folgeschichten von alleine wegfallen, weil ihnen die Ur-Sache entzogen wird? Ich bin ein Fan der Ursachensuche, habe aber meinen Frieden auch mit anderen Schichten, sofern der Prozess dies verlangt. Nicht immer geht es an das Ur-Sächliche und das hat gute Gründe: Jede Traumaheilarbeit setzt Ressourcen frei, die wiederum für noch tiefere Traumaheilarbeiten verwendet werden können.

Traumaarbeit im freiRaum – vorsprachlich und situationsbezogen

"Wir werden als Originale geboren, sterben aber als Kopien" (Edward Young)

Das Ziel der freiRaum-Sitzungen ist das Rückgängigmachen von Spaltungen. Eine Spaltung ist das Abtrennen vom Eigenen (Original) zugunsten von etwas Fremdem oder Nachgebautem (Kopie) zu Überlebenszwecken. Das Rückgängigmachen von Spaltungen geschieht u. a. im Rahmen der Traumaverarbeitung (s. auch Traumatherapie als fester Bestandteil jeder guten Therapie). Man stelle sich das so vor, dass im Rahmen eines Prozesses ein Hinweis auf ein Trauma auftaucht, zu erkennen an einem bestimmten Körpergefühl. Ich drücke es meist so aus: "Etwas Abgespaltenes zeigt sich im Raum." Willigt der Klient ein, nähern wir uns zusammen dem Trauma an. Meist gibt es auch Hinweise darauf, worum es geht. Nehmen wir den Klassiker: die eigene Geburt (Ein Beispiel befindet sich hier.). Geht man systemisch daran, ergibt das drei Anteile: "die Geburt als die Ur-Situation", in der das Trauma stattfand, dann "das Ich bei der Geburt" und "die Mutter bei der Geburt". Über das Auslesen der einzelnen Anteile rückt sich das Bild des Klienten über diese Situation und sich selbst zurecht. Häufig wurden ihm darüber etwas andere Sichtweisen oder manchmal auch Widersprüchliches vermittelt. Über sein Körpergedächtnis eröffnet sich der Zugang zu seinem wahren Erleben in dieser Situation, die nun stimmig abgeschlossen werden und endgültig der Vergangenheit angehören kann. Meist ist "das Ich im Trauma" mit einem anderen Menschen, in diesem Beispiel mit der Mutter, identifiziert, wodurch ins Klientensystem Fremdeinflüsse, z. B. auch transgenerationale Traumata, kommen. Die Identifizierung wird aufgelöst und der bislang abgespaltene bzw. mit der Mutter identifizierte Anteil "Ich im Trauma" kann in das aktuelle Ich des Klienten als ein ur-eigener Anteil integriert werden. Das Fremde wird losgelassen.

Traumaarbeit im freiRaum – energetisch

In letzter Zeit mache ich immer häufiger die Erfahrung, dass sich ein Ur-Trauma weniger als eine konkrete Situation (Geburtssituation, Nahtoderfahrung, eigene Abtreibung oder starke Ablehnungsgefühle seitens der Mutter überlebt etc.) erscheint, sondern als ein rein energetisches Ereignis, das nicht vollständig abgeschlossen worden ist. Und so wiederholt es sich immer wieder im Leben, manchmal immer gleich, manchmal in Variationen, und wartet auf seinen Abschluss.

Schauen wir uns das Schaubild dazu genauer an (Zum Vergrößern auf das Bild klicken).

Das eigene System strebt immer wieder eine echte Lösung an. Wird eine Lösungsmöglichkeit erkannt, bekommt das System dafür Energie. Der Energielevel steigt. Ein anderer Teil des Systems meldet Gefahr: Es hat gelernt, dass dieser Energielevel nicht zu halten und möglicherweise sogar tödlich ist. Dieser Teil sorgt dafür, dass das Ereignis an einer bestimmten Stelle immer wieder abgebrochen wird. Die Schutzmechanismen werden aktiviert. Einige Menschen fühlen sich wie in einem Loch, andere sind nur im Kopf und verlieren Bodenkontakt, andere weinen 2 Tage lang oder bekommen es mit der Angst, vielleicht sogar in Form von Panik, zu tun. Das System regeneriert sich. Man kommt aus dem Loch heraus, man bekommt wieder etwas Bodenkontakt, man hört auf zu weinen oder sich zu ängstigen. Man funktioniert wieder. Bis zum nächsten Mal.

In der rein energetischen Traumaarbeit während einer Sitzung gibt es dann meist nur zwei Positionen: "Ich in der Ur-Situation" und "die Ur-Situation". Statt "Situation" kann man auch das Wort "Trauma" oder "Ereignis" benutzen. In jedem Fall geht es um etwas aus der Vergangenheit, das noch nicht abgeschlossen worden ist. Die konkreten Umstände (z. B. Geburt) sind in diesem Fall nicht wichtig. Das Ereignis wird rein energetisch ohne konkreten Kontext, jenseits von Raum und Zeit, erfahren. Die Ur-Situation markiert gleichzeitig den Gipfel, also das Ziel oder das Tor. Hat man das Ziel erreicht, hat man das Ereignis abgeschlossen. So etwas lässt sich natürlich wunderbar räumlich darstellen. Wie weit sind "das Ich in der Ur-Situation" und "die Ur-Situation" voneinander entfernt? Was steht zwischen ihnen? Und was taucht alles auf, wenn "das Ich in der Ur-Situation" anfängt, sich dem Ziel, also der Ur-Situation zu nähern?

Das Ur-Trauma als Tor

Das Ur-Trauma stellt also gleichzeitig ein Tor oder ein Portal dar. Schafft der Klient es, durch dieses Tor hindurchzugehen, wird er jemand anders sein, als er noch zu Beginn der Sitzung war, und gleichzeitig wird er sich selbst viel näher gekommen sein. In dieser energetischen Trauma-Arbeit landen meine Klienten häufig, wenn sie sich zu Beginn der Sitzung ihre eigenen Muster bewusst machen, erkennen, dass das Kopien (Manchmal super gute Kopien, also sehr nah am Original dran!) ihres Selbst sind, aber eben nicht das Original, und die Entscheidung treffen, dass sie sie nicht mehr wollen. Dann öffnet sich eine Tür zur Traumaarbeit, die ihnen zeigt, wie es zum Entstehen dieser Muster überhaupt erst kam. Die Muster sind schon vielfältig geworden und durch Folgeereignisse und - Traumata des Lebens perfektioniert und auf verschiedene Situationen und Menschen abgestimmt worden. Und in der Tiefe wirkt immer noch die allererste Abspaltung. Die Abspaltung von dem ur-eigenen originalen Teil, für den dieses Ereignis bestimmt war. Und die Abspaltung von diesem Ereignis, das immer noch nicht abgeschlossen worden ist.

Mit Mut und Zuversicht geht es also auf das Tor zu. Mal schneller, mal langsamer. Alle möglichen Schutzanteile tauchen auf. Stimmen wollen einem einreden, dass das alles entweder gefährlich oder völliger Quatsch ist. Das Tor erscheint man einladend, mal furchteinflößend. Der Mensch wird auf seine Integrität und Entschlossenheit hin geprüft. Besteht er diese "Prüfung", gelangt er in das Ziel. Dort bleibt er eine Weile stehen und nimmt diese Ziel-Energie auf. Anschließend gelangt er in einen neuen psychischen Ich-Raum.

"Das Tor ist nur für dich bestimmt."

Das Ganze erinnert mich an die Türhüterparabel von Frank Kafka, an deren Ende der Torwächter das Tor schließt mit den Worten, dass das Tor nur für diesen einen Mann bestimmt war, das sein ganzes Leben damit verbrachte, vor dem Tor zu sitzen oder zu versuchen, den Torwächter zu bestechen oder von ihm die Erlaubnis zu bekommen, statt durch das Tor zu gehen. So bleibt dieser Mann in sicheren und scheinbar bequemen Gefilden, statt sich voll und ganz seinem Leben zu stellen. Der Wächter sagt zu diesem Mann, als dieser am Ende seines Lebens fragt, warum kein anderer Mensch versuchte Einlass zu bekommen: "Hier konnte niemand sonst Einlaß erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn." So kann eine Tor-Erfahrung als der (Wieder-)Eintritt in das Leben gedeutet werden, das wirklich das eigene ist. 

Die Eingangsfrage

Zurück zur Eingangsfrage: Welches Konzept von Trauma ist denn nun richtig? Und warum muss diese Frage überhaupt gestellt werden? Letzten Endes meldet das System und das entsprechende Körpergefühl (Flow / kein Flow), ob man sich im Prozess auf dem Holzweg befindet oder der Lösung näher kommt. Für die Psyche ist der symbolische Prozess genauso echt wie jedes reale Erlebte. Das heißt, der Gang durch das Tor, ist für die Psyche des Menschen echt. Sein System findet ein besseres, ursprünglicheres Gleichgewicht. Das Einzige, was wirklich weg kann, sind Wertungen, Urteile und Einstufungen, welches Konzept nun das beste ist. Diese Art von Analyse kann eine schöne Ablenkung sein, um sich der eigentlichen Lösung nicht widmen zu müssen. Meine Lösung: Ich nutze das, was sich zeigt. Ist es etwas Konkretes, dann arbeite ich mit der konkreten Situation. Zeigt sich ein rein energetisches Ereignis, dann soll es so sein.

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Schauen Sie sich das Schaubild an: Erkennen Sie sich darin wieder? Kennen Sie solche Situationen aus Ihrem Leben? Kreisläufe? Immer wiederkehrende Reaktionsmuster und Ereignisse?
  • Wollen Sie daraus? Oder bleiben Sie lieber in der Komfortzone, auch wenn es Ihnen Stress, Leid und Symptome bringt?

 

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