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Frieden und Krieg innen und außen – eine gesellschaftlich-politische Aufstellung zum Russland-Ukraine-Konflikt

 

Am 9. März 2022 führten meine Kollegin Lidia Schladt und ich eine gemeinsame Aufstellung zum Thema Frieden und Krieg durch, inspiriert durch die aktuellen Ereignisse in der Ukraine und auf der Welt. Das Ziel war, auch unsere Resonanzen zum Geschehen zu klären und zu bereinigen. Als Zugang wählten wir zum Einen uns als Personen, die Entitäten Krieg und Frieden, den Weltschmerz und die Wut, die wir verspürten, und zum Anderen die betroffenen Länder und die NATO sowie Putin, der als eine große Projektionsfläche für vieles herhält.

Hier noch die Auflistung der Positionen:

  • Katja
  • Lidia
  • Krieg
  • Frieden
  • Weltschmerz
  • Wut
  • Ukraine
  • Russland
  • NATO
  • Trauma
  • Putin
  • Lösung

Ich werde an dieser Stelle die Aufstellung nicht eins zu eins und Schritt für Schritt wiedergeben, da es sich leider in diesem Fall nicht anbietet. Daher beschreibe ich unsere Arbeit hier in einem etwas anderen Format und hoffe, dass mir der Leser gut folgen kann, auch wenn jetzt keine Schaubilder aus der eigentlichen Aufstellung folgen.

Wegschauen vom Krieg, Pseudo-Frieden

Angefangen haben wir die Aufstellung mit einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg und Frieden. Natürlich wollen wir alle Frieden, neigen allerdings dazu, über gewisse Spannungen hinwegzusehen. Es entsteht ein Pseudofriede. Haben sich zu viele Spannungen angesammelt, entlädt sich das Ganze in Form des Kriegs. Die Ebenen können unterschiedlich sein: ein Krieg zwischen zwei Völkern, eine Entzündung im Körper, also ein im Menschen zwischen seinen Anteilen stattfindender Krieg, der nicht ins volle Bewusstsein darf und so auf die Körperebene verschoben wird, ein Konflikt mit einem anderen Menschen, wobei dieser andere Mensch die Funktion eines eigenen inneren Anteils übernimmt, der von uns verdrängt und bekämpft wird, usw. usf. Lidia und ich bekamen die wundervolle Möglichkeit, diesen Krieg, den wir in uns haben, nicht mehr zu verdrängen, abzuspalten oder darüber hinwegzusehen, sondern ihn in unserem Leben willkommen zu heißen und die Wertung in "gut" und "schlecht" endgültig aufzugeben. So bekam er auch eine konstruktive Komponente in Form einer wertfreien Energie, deren Ziel eine Neuordnung und eine (gezielte) Neustrukturierung ist. Destruktiv und "böse" wird er erst, wenn sich so viele Spannungen angesammelt haben, dass sie sich zwangsläufig entladen müssen. Natürlich mussten wir uns im Laufe der Aufstellung auch Anteilen in uns stellen, die den Frieden in uns noch verhinderten. Und natürlich waren das Anteile, die "nicht ohne" waren, also solche, die so tief in unsere Persönlichkeitsstruktur eingraviert waren, dass sie nicht ohne Weiteres abgetrennt betrachtet werden konnten. Nicht wie zweite Haut, sondern fast wie die erste. Es war aber machbar und der internationale Konflikt und unsere Reaktionen darauf lieferten uns viele wertvolle Hinweise, wohin wir schauen sollten. Wie außen, so innen, lautet ja der Grundsatz. Ebenso wichtig war der anfängliche Abschied von der Illusion, dass so etwas in unserem Leben erst gar nicht hätte passieren dürfen. Ich formulierte es so: "Ich hatte mich auf ein friedliches Leben eingestellt. Ich bin auch friedlich. Und jetzt so etwas!" Es spiegelte mir also, dass da doch noch ganz und gar unfriedliche Spannungen in mir waren. Ich beschloss, meine Wut konstruktiv für mich und meine Klärung einzusetzen, statt zu versuchen wahlweise mit dieser Wut-Energie den äußeren Spiegel abzuwehren oder in Weltschmerz, also Mit-Leid, zu gehen, und damit indirekt das Ganze auch ungeschehen machen wollen, als ob ich das könnte, was absolut verdeckt-größenwahnsinnig ist: "Aber die armen Menschen. Sie leiden. Das darf nicht passieren!" Die Wahrheit ist: Wir wissen nicht viel über diese Menschen und ihre psychischen und seelischen Grundstrukturen; wir wissen nicht, was für sie das Beste ist; dafür laufen wir Gefahr sehr viel in sie hineinzuprojizieren und auch unsere eigenen Themen auf sie abzuladen. Nun, sie haben genug eigene Themen und brauchen echte Hilfe und keine Helfer, die sich als gute Menschen fühlen oder von ihren Wunden ablenken wollen. Auch dem versierten Leser empfehle ich an dieser Stelle, sich den eigenen entsprechenden Thematiken zuzuwenden. Jemand greift Sie an und Sie wundern sich über diese aggressive Energie dieses Menschen? Nun, herzlichen Glückwunsch, denn Sie haben diese Energie auch und sind gar nicht so friedlich, wie Sie denken. Seien Sie dankbar für den Hinweis, statt den anderen abzulehnen. Im Endeffekt können Sie nur sich selbst ablehnen. Sie wollen Frieden? Mit Ablehnung ("gegen etwas") werden Sie ihn nicht erreichen! Mit Mitleid ebenso wenig! Und so setzten wir unsere Betrachtung fort.

Echter Frieden

Auch die Position des Friedens korrigierte endgültig unsere gar nicht mehr so starke Wahrnehmung dieser Energie als "Friede, Freude, Eierkuchen". Die ursprüngliche Friedensenergie entpuppte sich als sehr bodenständig, sehr direkt und Klartext redend, ganz anders als die typisch süßliche Vorstellung von Frieden in der spirituellen Szene. Befreiend und erleichternd. Die Scheinharmonie ist vorbei! Auch der Weltschmerz und das Trauma machten uns darauf aufmerksam, dass auch sie, auch wenn sie auf die Ursache verweisen, als Ablenkung vom Eigentlichen dienen und wir daher aufpassen sollen. Es ist an der Zeit, weiterzugehen, und dies ist nur möglich, wenn wir von alten Bindungen und Vorstellungen loslassen. Vieles ist eben nicht so, wie es scheint. Oder es ändert auch seine Bedeutung, je nach Entwicklungsschritt. Was gestern noch galt und stimmig war, ist es heute nicht mehr, weil man zu tieferen und weitreichenderen Erkenntnissen gelangt ist. Und so nahmen wir unsere Brillen ab, entledigten uns der mittlerweile überflüssig gewordenen Muster und stellten uns den individuellen wie kollektiven Kriegs- und Friedensthemen mit dem Ziel, echten Frieden zu leben. Und dieser beginnt, wie man so schön sagt, in uns selbst.

Das Trauma

Die Position des Traumas zeigte uns v. a. Schutzaspekte. Zum Beispiel wies sie allen Beteiligten, also allen Ländern und auch allen anwesenden Menschen, die Schuld zu und warf ihnen auch die Nicht-Bereitschaft vor, sich dem Thema zu stellen. So gesehen war dieser Vorwurf durchaus konstruktiv, wurden wir ja mit Mustern und Sachverhalten konfrontiert, die wir sehr gern übersahen oder sogar verleugneten. Alle haben eine Meinung und rücken nicht von ihr ab. Das führt zu Spannungen. Spannungen sammeln sich an und entladen sich irgendwann zwangsläufig als Krieg. Solange niemand bereit ist, sich zurechtstutzen zu lassen, was wohl auch das ursprüngliche Trauma, also eines der Ohn-Macht, der Ego-Losigkeit ist, gibt es hier keine Bewegung, sondern nur das Anhäufen von noch mehr Spannung. Wir als Menschen haben uns dann fürs Zurechtstutzen entschieden, was nicht gerade unschmerzhaft war, dafür aber doch sehr befreiend, erfüllend und Frieden spendend. Als Zugang zum Trauma haben wir das Enneagramm als Persönlichkeits- bzw. Ego-Muster-Modell herangezogen und dadurch wurden uns unsere Ur-Wunden noch einmal in ihrer ganzen Tiefe gespiegelt. Zum Heilen haben wir u. a. schamanisch geprägte Aura-Chirurgie angewandt, d. h. die betroffenen zu heilenden Bereiche herausgeschnitten und dadurch die Wunde freigelegt, so dass sie "an der frischen Luft" gut verheilen kann.

Putin von innen

Putin gilt zurzeit als der Bösewicht schlechthin und als Projektionsfläche für so ziemlich alles. Umso spannender war für uns die Innenperspektive. Aus Putins Position konnten wir einiges herauslesen: Angst, Scham, aber auch den Wunsch nach einer Lösung. Die Ukraine schien aus Putins Sicht weit weg zu sein, kaum noch zu erreichen, obwohl zu Beginn der Aufstellung noch von Russland aus eine Hand dahingereicht wurde mit dem Wunsch nach einer guten Lösung. Wir nahmen Deutschland als Repräsentanz dazu. Eine tiefe Verbindung zu Deutschland war da und auch die Trauer, da keinen Kontakt herstellen zu können, denn die Repräsentanz von Russland channelte klar und deutlich: "Wir gehören zusammen." Putin machte auf das Trauma aufmerksam, Deutschland tat so, als wäre keines da. Er kam sich vor, als würde er Chinesisch reden. Die aktuelle deutsche Regierung erschien ihm kindlich, was vermutlich auch stimmt, was die Seelenreife betrifft. Deutschland will zu den Guten gehören, zu der richtigen Seite – dies ist das Wichtigste. Das ist eine simple kindliche Wahrnehmung: Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Die NATO / die USA luden Deutschland ein mitzuspielen, so ähnlich wie ein Kind auf dem Schulhof zum Fußballspielen eingeladen wird. Juhu! Man gehört dazu. Und als Belohnung winkt sogar die Berechtigung zum Ablassen der eigenen Aggression in Form des Ausschließens von anderen, in diesem Fall von Russland. Und Russland bekommt so sein Minderwertigkeitsgefühl, sein Außenseitertum und sein Nicht-verstanden-Werden gespiegelt. So bekommen alle das, was ihren inneren Mustern entspricht, auch wenn sie sich bemühen, eine neue, friedlichere Lösung, in die Wege zu leiten. Es gelingt ihnen (noch) nicht. Das liegt wahlweise am Selbstwertgefühlmangel, an der Inperfektion der Kommunikation, am Verleugnen, an der Unreife und der Nichtbereitschaft für eine neue Stufe. Die Lektionen sind noch nicht abgeschlossen, deshalb geht es in die nächste Lern-Runde in der Hoffnung, die verpassten Lerninhalte aufzufrischen, neue Erkenntnisse zu sammeln und endlich in die nächste Klasse versetzt zu werden.

Die Lösung und die aktuellen Muster

Die Lösung bestünde darin, sich dem Trauma zuzuwenden sowie der Auflösung der Wertung der eigenen Schutzmuster. Der Osten hält sein Muster für besser: Ja, man ist emotionaler, gefühlsintensiver, also näher am Trauma dran, im Schmerzkörper verhaftet, man fühlt mehr, dafür zahlt man mit Scham und falschem Stolz bis hin zum Größenwahnsinn. Der Westen verleugnet die Wunde, rationalisiert sie weg, fordert Loyalität ein, die auf abstrakten westlichen Werten basiert, wodurch man eine moralische Überlegenheit begründet und sich also zu den Guten zählt. Letzteres setzt natürlich den Demütigungsvorgang in Kraft, denn man behandelt den Osten von oben herab, also direkt in die Wunde, und spaltet durch das scheinbar friedliche "Gutmenschentum" seine Aggressionen ab, die dann, o Wunder, früher oder später von außen, hier durch Russland repräsentiert, einem um die Ohren geflogen kommen. Und endlich ist man berechtigt, seine Aggressionen, z. B. in Form von Sanktionen und moralischen Verurteilungen, direkt ausleben, denn der Aggressor hat sich gezeigt und ist klar benannt worden. Feuer frei! Auch wenn Putin über eine reifere Seele verfügt, ist es ihm nicht möglich, sich komplett zu reflektieren. So verriet uns seine Repräsentanz, dass er zwar über eine gute Reflexionsfähigkeit verfügt, allerdings weniger über sich selbst, sondern mehr über die anderen und die Weltzusammenhänge. Was sich angeht, neigt er zu starren Mustern und Meinungen, die er dann immer wieder von sich gibt, manchmal sogar wortwörtlich. Als Korrektur braucht er dann einen ganz heftigen Spiegel, die feinen Anzeichen reichen nicht aus, die weniger subtilen werden stark bekämpft, bis der Spiegel unmissverständlich wird wie in der aktuellen Situation. Auch die "Gegenseite", die NATO, ist nicht weniger aggressiv. Am Anfang der Aufstellung lag Russland noch versteckt. Die NATO und die Ukraine lagen, ein Stück überlappend, am anderen Ende des Raum. Russland traute sich aus der Deckung auf die Gefahr hin, dass gleich scharf geschossen wird inkl. Vernichtungsgefahr. Es fühlte sich unwillkommen. Und tatsächlich warf die NATO gleich Speerspitzen. Die Ukraine erfüllte für die NATO nur die Rolle eines Bauernopfers, das man bedenkenlos für seine eigenen Interessen einspannen und dann auch wieder opfern kann. Die Ukraine stand in der Aufstellung in der Tat direkt dem Totenschädel gegenüber. Ein ähnliches Schicksal könnte auch übrigens Deutschland ereilen, wenn es sich auf die NATO verlässt oder wie jetzt im Größenwahn Unsummen für Militär und Waffen ausgibt im illusorischen Glauben, das würde gegen Russland helfen. Im Falle eines Krieges gegen Russland, würde die NATO (die USA) dann auch Deutschland opfern. Da ist die Bruderschaft illusionärer Natur, so die Repräsentanz für Trauma. Russland bot der Ukraine die Hand an, die die Ukraine erst annehmen wollte. Die NATO rief aber vehement "Nein". Die Position der Lösung machte uns im späteren Verlauf darauf aufmerksam, dass wir sehr aufpassen müssen, ob es eine echte Lösung ist. Das würden wir daran merken, dass das Trauma bearbeitet wurde. Bei der ausgestreckten Hand war das leider nicht der Fall. Insofern hat auch das (hinterhältige) Verhalten und das Eingreifen der NATO eine konstruktive Facette: "Die Lösung ist nicht echt, denn das Trauma ist unverarbeitet!"

Nun können wir für das Kollektiv keine Entscheidungen diesbezüglich treffen, sehr wohl aber für uns selbst.

Unsere Entscheidung zur nackten Wahrheit und zum Verzicht auf tief eingeprägte Muster

Die Arbeit hat uns beiden tiefe Einsichten nicht nur in die kollektive Dynamik, sondern auch in unsere eigene beschert. Unsere Entscheidung, den Krieg als Entität, also als eine reine und wertfreie Energie, in unserem Leben voll und ganz willkommen zu heißen, war erst der Anfang und der Schlüssel zu echtem Frieden. Die Länder spiegelten uns Dinge, die wir auch als Menschen kennen: Scham und Wut, Öl ins Feuer gießen, Aggressionen abspalten und auf andere verlagern, die dann uns angreifen, Rechthaberei und Größenwahn, Zwang zur Loyalität. Auf all dies zu verzichten ist ein hehres Ziel und eine schöne weitere Entwicklung. Damit verbunden ist die Entscheidung, ob wir andere (und uns selbst) in Beziehungen zur Loyalität zwingen oder ob wir zur "nackten" Wahrheit stehen. Ersteres befriedigt dann das oberflächliche Bedürfnis nach Geliebt-Werden, Bestätigt-Werden und Angenommen-Werden. Letzteres bietet die besten Entwicklungsmöglichkeiten. Nach der Entscheidung für die nackte Wahrheit machte sich wahre Liebe breit. Ja, nackte Wahrheit ist LIEBE, wenn man bereit ist sie anzunehmen! Dankbar für diese Möglichkeit, die Einsichten und die Schritte, die uns möglich wurden, beendeten wir die Aufstellungsarbeit.

 

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